VERSICHERUNGSVEREIN VS. AKTIENGESELLSCHAFT

DIE UNTERSCHIEDE

Hätten Sie gedacht, das auch die Verhaltensweise eines Sachbearbeiters, eines Außendienstmitarbeiters oder auch des Ansprechpartners in der Leistungsabteilung auf den Unterschied zwischen Versicherungsverein und Aktiengesellschaft Rückschlüsse zulässt?

Vielleicht ist Ihnen bereits aufgefallen, dass die Art und Weise wie Versicherungsleute einem Kunden gegenüber auftreten seit einigen Jahren immer mehr ins Absurde abgleitet. Der Umgangston wird rauher und die Unfreundlichkeit nimmt immer mehr zu.

Trotzdem lassen sich an dieser abwehrenden und zum Teil sogar eher feindseligen Haltung Unterschiede erkennen. Manchmal nur Nuancen, aber hin und wieder durchaus deutliche Unterschiede.

Wo genau liegen sie und wie kommt es dazu?

Um die Verhaltensweise von Versicherungsleuten zu verstehen, und dazu gehören alle, die sich mit Versicherungen befassen

- sei es im Innendienst oder im Außendienst, sei es auf der Ebene des Sachbearbeiters oder in leitender Position bis hin zum Vorstand -

muss man etwas mehr über die Sichtweise und die Stellung des Kunden an sich wissen.

KÖNIG KUNDE

Der Kunde ist nicht der König... schon lange nicht mehr. Der Kunde ist derjenige, von dem man sich als Versicherung ernährt. Die Versicherungswirtschaft will vom Kunden nur das eine - sein Geld und am liebsten wäre es ihr, wenn man den Menschen, der letztlich hinter dem Kunden steht dabei ausklammern könnte, denn er stört.

Warum? Weil er Bedürfnisse, Ängste, Zweifel, Fragen und auch Meinungen hat. Bedürfnisse wollen befriedigt werden, Ängste gestillt, Zweifel zerstreut, Fragen beantwortet und Meinung bestätigt. Das stört aber. Als Kunde wird man hofiert, solange man noch gar nicht zum Kundenkreis gehört. Sobald der Vertrag geschlossen wurde und das Ziel erreicht ist, wird man als Kunde zum Störfaktor.

Als Kunde will man sich wertgeschätzt fühlen und solange die Umwerbung dauerte wurde dieses Bedürfnis auch gestillt. Nach Erreichen der Ziellinie hat es sich aber ausgeflittert - jetzt kommt der Alltag und die Versicherung zeigt ihr wahres Gesicht. Und als Kunde merkt man plötzlich, das s nicht um mich ging, nein, es ging ausschließlich um den Beitrag!

Trotzdem kann man hier unterschiedliche Verhaltensweisen kennen lernen und das hat etwas mit der Unternehmensform zu tun. Klingt das glaubwürdig? Vielleicht nicht auf den ersten Blick... lassen Sie es mich erklären.

ZWEI UNTERSCHIEDLICHE UNTERNEHMENSFORMEN

Bei Krankenversicherern haben wir in der Regel zwei verschiedene Unternehmensformen:

  1. Den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, kurz: V.V.a.G
  2. Die Aktiengesellschaft, kurz: AG

Der wesentliche Unterschied, zumindest für unsere Betrachtungsweise liegt im Eigentümerverhältnis. Bei einem Versicherungsverein ist die Versichertengemeinschaft Eigentümer. Jeder Versicherte ist Teil dieser Gemeinschaft. Er ist Mitglied im Verein und streng genommen heißt das, dass alle Mitarbeiter des Unternehmens im Prinzip die Angestellten der Versicherten sind - vereinfacht ausgedrückt.

Wenn also die Mitarbeiter des Versicherten für die Eigentümer - die Versicherten - tätig sind, dann herrscht doch ein ganz anderer Ton, wenn man als Kunde sich zu Wort meldet und Fragen hat, Antworten oder Lösungen sucht, oder?

Zumindest sollte es so sein, gewissermaßen Ehrfurcht vor dem Kunden zu haben. Versicherungsleute, die ihre Ausbildung bei einem Versicherungsverein gemacht haben, ist das Ansehen des Kunden mit der Milch eingeflößt worden. Sie haben das nicht anders gelernt und es ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Das ist auch heute noch spürbar, selbst dann, wenn der eine oder andere inzwischen für einen Aktien notierten Versicherungskonzern tätig ist.

Ganz anders verhält es sich dagegen bei einer AG. Das Unternehmen mit allen seinen Ressourcen gehört den Aktionären. Dabei kann es sich auch um Versicherte des Unternehmens handeln. Das ist aber nicht zwingend eine Voraussetzung. Das Hauptaugenmerk des Aktionärs ist die Dividende, der Profit als solches. Die Versicherten sind ihm einerlei. Eine solche Denkweise lässt sich durch die gesamte Unternehmenshierarchie spüren, vom Vorstandsvorsitzenden bis zum Sachbearbeiter. Wer hier seine Ausbildung genossen hat, der konnte von Anfang an diese Philosophie nachvollziehen und sehen - der Kunde ist nur Mittel zum Zweck. Es geht um nichts anderes, als um sein Geld und auch um nichts weniger!

Selbstverständlich habe ich dieses Bild nur in schwarz und weiß gemalt. Die Realität ist aber weder schwarz noch weiß, sondern vielmehr grau, in verschiedenen Schattierungen. Das liegt heutzutage vor allem auch daran, dass Vorstände und auch die jeweiligen Vorsitzenden nicht immer aus den eigenen Reihen rekrutiert werden. Versicherungskonzerne bedienen sich hier gerne auch anders. Nicht selten kommt das entsprechende Personal von bekannten Unternehmensberatungen, einschlägig spezialisierten Anwaltskanzleien oder auch aus der Politik.

Je nachdem welcher Philosophie der neue Kapitän folgt, muss die gesamte Mannschaft rudern - in welche Richtung und in welchem Takt auch immer.

Das ist der Grund, warum die Grenzen in Bezug auf die Wertschätzung des Kunden mehr und mehr abnimmt und die Verhaltensweise ihm gegenüber langsam aber sicher immer unverschämter wird.

Da kann es passieren, dass man sich bei seinem Krankenversicherer über die hohen Beiträge beschwert und der Mitarbeiter am Servicetelefon frech antwortet mit:

"Dann kündigen Sie doch!"

Die Grenzen zwischen Verein und AG verschwimmen langsam immer weiter, Und trotzdem bleibe ich dabei, der Unterschied ist auch heute noch bei den Mitarbeitern zu spüren - je nachdem, wo der einzelne seine Ausbildung gemacht hat. Daran kann auch ein neuer Vorstand nichts ändern.

NOCH EINE SCHIPPE D'RAUFGESETZT

Es gibt dann auch noch andere Entwicklung. Hier werden gar nicht Mitarbeiter getauscht, sondern Unternehmensformen.

Gar nicht lange her, da hat sich ein Krankenversicherer klammheimlich vom Versicherungsverein zur Aktiengesellschaft verwandelt. In seinem Geschäftsbericht erklärt er auch noch ganz stolz, wie man diese Metamorphose vollzogen hat... zunächst die kleine Immobilienabteilung des Vereins in eine AG gewandelt und dann schrittweise das Vermögen des Vereins auf die neue AG übertragen. Im Anschluss schob man den Versichertenbestand des Vereins auf die AG und dann erfolgte ein Spartenwechsel, weg vom Krankenversicherungsverein zu einem Sachversicherungsverein.

Die PKV-Kunden sind nun nicht mehr als Versichertengemeinschaft Eigentümer des Unternehmens, bei dem sie versichert sind, sondern nur noch Aktivposten der AG, die mit ihrem Beitrag für die Einkünfte sorgen. Hat etwas von Enteignung an sich, wenngleich es sich nicht um eine solche handeln mag.

Übrigens,... für die betroffenen Versicherten blieb dieser Vorgang weitgehend unentdeckt.

UPDATE

Aktuell hat auch die Barmenia Krankenversicherung den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit durch Ausgliederung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Nachdem die Genehmigung der BaFin bereits vorlag hat nun auch die Mitgliederversammlung dieser Änderung zugestimmt, die jetzt rückwirkend zum 01.01.2019 vollzogen wurde.

Und das ist nicht der letzte Krankenversicherer:

Auch die HALLESCHE Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit bastelt gerade an der Umwandlung.


Vielleicht achten Sie beim nächsten Telefonat, Schriftwechsel, Beratungsgespräch oder Beschwerde mal darauf - sind Sie Mitglied eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit oder Kunde einer Aktiengesellschaft?

Sollten Sie Gesprächsbedarf haben, dann erreichen Sie mich hier...